Sonntag, 18. Juni 2017

Nicht bei mir

Der Ramadan-Friedensmarsch konnte nicht so viele Teilnehmer mobilisieren wie erwartetet. Die Häme ist jetzt groß. Nicht bei mir.

Ein Kommentar von Norbert Bauer

Als ich kurz vor 13.00 Uhr den beinahe leeren Heumarkt in Köln sah, wusste ich schon, dass nicht nur der grinsend rumlaufende Hendrik M. Broder sich die Hände reiben würde. Schon bald tauchten bei Facebook die ersten selbstgerechten „Wusste ich es doch“-Sprüche auf und die Kommentare in den Zeitungen und Radio zogen eine enttäuschende Bilanz.

Dabei hatten an selber Stelle vor wenigen Wochen andere Organisatoren ähnliches erlebt, ohne dass sie dafür an den Pranger gestellt wurden. Für den AfD - Parteitag wurde mit einem monatelangen Vorlauf auf breiter Basis in Köln Protest organisiert. Auch die Kirchen waren in großer ökumenischer Verbundenheit dabei. Mit dem nicht gerade geschichtsbewussten Motto „Unser Kreuz hat keine Haken“ luden sie zu einem politischen Nachtgebet ein. Die Medien berichteten ausführlich im Vorfeld, die Verbände mobilisierten ihre Mitglieder,  jede Kirchengemeinde war informiert. Trotzdem saßen mit mir nur ca. 80 weitere Christen in der viel zu großen Kirche. Meine Frau war die jüngste Beterin, ich der zweitjüngste. Aber am nächsten Tag war in keiner Zeitung die Schlagzeile zu lesen: “Politisches Nachtgebet ein Misserfolg“. Zur großen Demo am nächsten Tag wurden noch am Morgen 50000 Marschierer erwartet. Letztendlich tauchten nur 10000 auf. Dennoch wurde den Kölnern und Kölnerinnen nicht vorgeworfen, sich nicht ausreichend von der Afd abzugrenzen.  Die Muslime stehen nach der gestrigen Demo aber wieder unter dem Generalverdacht,  sich nicht genügend vom Terror zu distanzieren.
Dabei hilft schon ein Blick auf die Initiative und Organisation bei der Analyse, warum die Teilnehmerzahl hinter den Erwartungen zurückblieb.
Die Idee zum Ramadan-Friedensmarsch hatte Lamya Kaddor. Sie wollte, so erzählte sie gestern bei der Kundgebung, innerhalb von 10 Tagen eine Demo auf die Füße stellen. Allein dieser kurze Vorlauf ist gewagt. Eine gut organisierte Demo braucht Vorbereitungszeit und auch eine breite Basis. Auf die konnte Lamya Kaddor nicht automatisch zurückgreifen. Sie selbst ist Mitglied beim Liberal-Islamischen Bund, einem Netzwerk von ca 250 liberalen Muslimen in Deutschland, das sicherlich nicht repräsentativ für den Islam in Deutschland steht.  Mit ihrer spontanen Idee des Friedensmarsches geht sie an die Öffentlichkeit, bekommt gleich hohe mediale Aufmerksamkeit und versucht die großen Islamverbände wie DitiB für ihre Aktion zu gewinnen. Wir wie heute wissen, vergeblich.  
Das überrascht nicht wirklich. Ich habe mal versucht, dass Organisationsmodell auf den christlichen Kontext hin zu übertragen und ein kleines Gedankenexperiment gewagt. Angenommen Christian Weisner der Sprecher von „Wir sind Kirche“ hätte eine Protestidee. Termin, Ort, und Aufruf stünden schon weitgehend fest. Die Medien schenken ihm wie immer große Aufmerksamkeit. Dann formuliert er an den Ratsvorsitzenden Bedford-Strohm und Kardinal Marx öffentlich die Erwartung, dass die beiden großen Kirchen mit dabei sind. Das würde natürlich nicht gelingen, wäre das Anliegen noch so richtig und wichtig. Würde es dann am Ende heißen: die Christen in Deutschland zeigen nicht genügend Flagge gegen Terror ? Wohl kaum. Verfehlt aber einer kleiner muslimischer Verband die selbst gesteckten Teilnehmerzahlen, stehen gleich alle Muslime in Deutschland unter Verdacht, nicht wirklich was gegen Terror zu haben.

Hoffentlich lässt sich Lamya Kaddor nicht von der Häme und der Kritik entmutigen. Denn ihre Idee war gut. Sie war nur nicht gut organisiert.

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