Sonntag, 9. Juni 2013

Von Event zu Event

Foto: Norbert Bauer

Kardinal Kasper prangert die Eventkultur an, meint damit aber nicht kirchliche Großveranstaltungen. Einige Beobachtungen zum gerade zu Ende gegangenen Eucharistischen Kongress.

Von Norbert Bauer

„So rennt man von Event zu Event, wo man für einen kurzen Augenblick Faszination erleben kann, die dann schon am nächsten Morgen in Frustration umschlägt.“ Nein, Kardinal Kasper spricht nicht über den Eucharistischen Kongress in Köln, aber er nutzt genau diesen Event, um mit diesen Worten „die Diktatur des Relativismus und political correctness“ anzuprangern. Zustimmung wird er dazu gewiss von Daniel Deckers erfahren. Der für die katholische Kirche zuständige Redakteur der FAZ hatte schon am Donnerstag den Eucharistischen Kongress zu einem großen Erfolg erklärt „als Kontrastprogramm zu den von den Laien des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) veranstalteten Katholikentagen. Ein selbstbewusst-konzentriertes Fest des Glaubens anstelle einer weiteren richtungs- und ziellosen Manifestation dessen, was sein Berliner Vorgänger Kardinal Bengsch in den siebziger Jahren als „Dialogbesoffenheit“ des westdeutschen Funktionärskatholizismus gebrandmarkt hatte.“ Dem deutschen Rieslingpapst Deckers kann man nüchtern betrachtet  zustimmen, denn „Katholische Kirche“ und „Dialog“ zählen sicherlich zur Reihe der berühmten Königskinder. Dialog ist in Köln nicht gefragt.
Es wird nicht miteinander diskutiert, sondern die Bischöfe haben endlich noch mal die Gelegenheit, in einer ausführlichen Katechese den Glauben „geduldig zu erklären“ (Kasper). Leider ist der Bedarf nach Erklärungen nicht überall so ausgeprägt. So konnte es passieren, dass Bischöfe in großen Kölner Innenstadtkirchen nur zehn Gläubigen gegenüberstanden. Herr Deckers hat am Donnerstag jedoch volle Kirchen erleben können, denn aus ganz Deutschland wurden Schülerinnen und Schüler der katholischen  Schulen nach Köln gefahren. Z.B nach St. Heribert, wo der „unbeugsam-unbequeme Kardinal Meisner“  (Deckers) dem  „zunehmend mut- und farblosen Katholizismus“ (Deckers) mit erhobenem Zeigefinger den tiefen Glauben zu Zeiten Stalins und Hitlers gegenüberstellte. Nach dieser Lehrstunde bestand dann doch die Gelegenheit für die Jugendlichen zum Fragen. Nachdem die erste Fragestellerin („Sie sind zu spät gekommen“) vom Kardinal nicht zugelassen wurde, traute sich dann doch keiner mehr. Dafür durften dann zwei Erwachsene noch Zeugnis ablegen. Wer braucht da noch Dialog.

Eine voll besetzte Kirche hatte auch Kardinal Kasper beim Klerikertreffen. Er zeichnet ein düsteres Krisenbild der Kirche und kommt dabei nicht ohne Militärjargon aus. Ständig spricht er von Nebenkriegsschauplätzen, Grabenkämpfen und Stellungskriegen. So ein Nebenkriegsschauplatz sind z.B. die Fragen nach „Mund- oder Handkommunion, Zelebration zum Volk, oder Diakoninnen“. Mich erstaunen solche Metaphern bei einer geistlichen Ansprache, aber wenn ich die Foreneinträge bei kath.net zu Kardinal Lehmanns Interview über Liturgiereform lese, kann ich wirklich den Eindruck gewinnen, es wird Krieg geführt. Verstehe ich Kardinal Kasper aber richtig, wird es aber bald die ersten Diakoninnen geben können, die den Gläubigen den Herrn auf die Hand oder in den Mund legen. Denn die Frage "Diakonin ja oder nein" ist genau so nebensächlich wie die Frage nach der Hand- oder Mundkommunion. Da beides geht, können auch bald die ersten römisch-katholischen Diakoninnen geweiht werden.
Ich habe viele kleine, aufbauende Beobachtungen machen können. Z.B. die Lesung mit Navid Kermani im Museum Schnütgen, einem Museum, das nicht nur wie eine Kirche aussieht, sondern weiterhin Kirche ist. Es war schön, dem Muslim Kermani beim Nachdenken über die Pieta in St. Kunibert zuzuhören. Es war auch schön zu erleben, dass es Bischöfe in Deutschland gibt, die nicht dreimal im Pfarrbüro wegen eines Parkplatzes vor der Kirche anrufen, sondern einfach zu Fuß kommen. Ebenso so schön war es, Bruder Timotheé aus Taize zuzuhören, der nur drei Minuten sprach, und in den drei Minuten genau das vermittelte was er sagte: die Sehnsucht nach Glauben ist das entscheidend. 
Eine sehr interessante Diskussion habe ich auch verfolgen können. Moderiert von Prof. Joachim Valentin diskutierten die Theologin Dr. Stefanie Knauss, der Schrifsteller, DJ und Musiker Thomas Meinecke und Sr. Jordana Schmidt OP über Eucharistie als Konkretion menschlicher Grundbedürfnisse. Auffallend hier: es ist denn doch leichter über Liturgie zu reden als über Transsubstantiation. 
Transsubstantiation kommt auch in einem Text von Ulla Hahn vor, den die Autorin eigens für den Eucharistischen Kongress geschrieben hat. „Licht vom Licht“ heißt dieser schöne Text, der in dem ebenso so schönen Buch „Trotz Natur und Augenschein“ veröffentlicht ist. In der Diözesanbibliothek las Ulla Hahn ihre märchenhafte Utopie vor und setzte damit kurz vor Ende des Kongresses einen gezielten Kontrapunkt. „Licht vom Licht“ setzt nicht auf Identität durch Abgrenzung. Es ist vielmehr die Geschichte von einem noch ausstehenden, ökumenischen Wunder. Ihr Augenzeugenbericht aus dem Jahre 2101 schildert, wie bei der Einweihung des ersten ökumenischen Doms in Hamburg bei aller Unterschiedlichkeit unvorhergesehen die christlichen Konfessionen zusammen Eucharistie feiern. „Darum prüfe ein jeder selbst und esse so von diesem Brot und trinke aus diesem Kelch mit Gott und den Menschen versöhnt.“ Gerne würde sie diesen Text mal bei der deutschen Bischofskonferenz vortragen, gestand Ulla Hahn dem Moderator Johannes Schröer. Die Zuhörerinnen und Zuhörer lächelten, konnten sie doch während der Lesung etwas beobachten, was Autorin und Moderation verborgen blieb. Die Bischofskonferenz war anwesend, speiste sie doch parallel zur Lesung nur fünf Meter entfernt, leider durch zwei Glasscheiben schalldicht getrennt. Aber vielleicht liest der ein oder andere Bischof diese Wundererzählung nach.

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