Freitag, 9. Februar 2024

Nie widder is hück!

Foto: Larissa Neubauer
Im Karnevalsgottesdienst in der Kölner Agneskirche hat das Hänneschen aus dem Hänneschentheater gepredigt. Dabei erinnerte es an Fanny Meyer. Die Puppenspielerin wurde in Auschwitz ermordet, weil ihr Vater Jude war. "Denn mer wulle üch doran erinnere, wat passeet wenn mir nit all zesamme stonn. Denn: Nie widder is hück!"

Von Uli Kievernagel
 

Jetzt musste das Hänneschen erst 222 Jahre alt werden, um es erste Mal in einer Kirche predigen zu dürfen. Der Ludwig Sebus, der durfte das schon, da war gerade erst mal 97 Jahre alt.  

In däm Text uss d´r Bibel evens jing et daröm, dat man sich nit sorjen sull un et esu mache sull wie die Vögel im Himmel – da janzen Dach eröm fleje un jood es. Ävver kann man dat hück noch mache? Müssen wir uns nicht Sorgen darum machen, wat um uns eröm passeet? Dä Fastelvoend verleitet natürlich dazu, nur dä Spaß zu sin. Kumm loss mer fiere, jet suffe und dann luure, op mer met dä Schüss jet danze kann. Dat is och jood esu. Doch trotz aller Spaß an d´r Freud müssen wir immer noch aufpassen, wat um uns eröm passeet! Opjepass: Wenn wir dat hück nit dun, dann kann unser geliebter, bunter Karneval schnell braun werden. Denn: Nie widder is hück! Gerade heute, gerade jetzt, zeigt sich, dass wir für unsere Lebensart einstehen müssen. Do treffen sich echt fiese Strippenzieher in Hinterzimmern, öm ze plane, wie man Minsche footbring, de dänne nit jefalle. Et jitt vill ze vill Minsche, die han verjesse - oder die wulle et nie mieh wisse - wat schon ens he bei uns passeet is. Ävver mer dürfte et nie verjesse: Ejal wohin de luurst, dä Schuhß ess fruchtbar noch, uss däm die Nazibrut russkroch. Wir müssen jetzt, wo die letzten Zeitzeugen verschwinden, die Erinnerung wachhalten. Denn: Nie widder is hück!

Mittwoch, 20. September 2023

Diese Kirchenleitung hat keine Macht über uns

Foto: Maria Mesrian
Wir verschleiern mit diesem Segen heute nicht, dass die Lehre der katholischen Kirche zutiefst homophob ist. Mit dieser Haltung trägt sie weltweit dazu bei, dass sich queere Menschen ihres Lebens nicht sicher sind. Ihr alle zeigt heute, dass euch Gewissen wichtiger ist als Gehorsam, dass ihr der Angst keinen Raum mehr gebt. 

Von Maria Mesrian

„Du sollst ein Segen sein!“ Dieser Satz aus dem Buch Genesis ist der Taufspruch eines meiner Kinder. Ihr alle seid euch heute gegenseitig ein Segen gewesen und das ist es, was die Welt braucht und was sie zusammen hält.

Mein Respekt gilt allen, die heute hier sind: Den hauptamtlichen Seelsorgerinnen und Seelsorgern, die Gesicht zeigen und allen, die den Weg auf sich genommen haben, um auf diesem Platz vor dem Kölner Dom zu zeigen: Wir brauchen nicht die Macht und die Herrlichkeit, den Prunk, die teuren Immobilien, die Dienstwagen und auch nicht den Segen einer solchen Kirche. Wir setzen der Kaltherzigkeit, der Enge und den Lügen etwas entgegen: Die klerikale Machtelite mag de facto über viel Geld und deshalb über Macht verfügen.

Montag, 6. März 2023

Wenn uneingestandene Ohnmacht verführbar macht

Screenshot: Peter Otten
Bei Abstimmungen in der Synodalversammlung des Synodalen
Weges haben namentliche Abstimmungen Vorfahrt gegenüber geheimen. Aber ist das auch rechtens? Anmerkungen vor der V. Vollversammlung

Von Georg Bier

In wenigen Tagen kommt der Synodale Weg zu seiner letzten Vollversammlung zusammen. Unter anderem soll über zehn Grund- und Handlungstexte abgestimmt werden. Dabei könnte, wie Beate Gilles, die Generalsekretärin der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) auf der Abschlusspressekonferenz der Frühjahrs-Vollversammlung auf Nachfrage mitteilte, erneut das Verhältnis zwischen geheimen und namentlichen Abstimmungen zum Thema werden.

Freitag, 10. Februar 2023

Prozentrechnen auf dem Synodalen Weg

Foto: skitterfoto / www.pexels.com
Beim Synodalen Weg werden Enthaltungen als nicht
abgegebene Stimmen gewertet. Das bringt Laien und Bischöfe gleichermaßen in eine komfortable Situation. Meint Georg Bier und hat eine Rechnung aufgemacht.

Von Prof. Georg Bier

Vom 9. bis 11. März 2023 tritt der Synodale Weg zur abschließenden fünften Vollversammlung zusammen. Zehn weitere Grund- und Handlungstexte sollen zu Beratung und möglicher Beschlussfassung vorgelegt werden. Allerdings ist, was in der Synodalsatzung „Beschluss“ genannt wird, in Wirklichkeit bloß eine Empfehlung ohne rechtliche Verbindlichkeit. Es bleibt jedem Diözesanbischof freigestellt, ob er überhaupt und ggf. welche Konsequenzen er daraus zieht. Aber um dieses ebenso bekannte wie kommunikativ konsequent überspielte Faktum soll es hier nicht gehen.

Im Mittelpunkt steht vielmehr die nur auf den ersten Blick simple Frage nach den geforderten Mehrheiten. Bekanntlich ist für eine erfolgreiche „Beschluss“-Fassung die Zweidrittelmehrheit aller Anwesenden erforderlich, in der die Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder der Deutschen Bischofskonferenz enthalten sein muss. Weil diese qualifizierte Bischofsmehrheit fehlte, scheiterte im September 2022 trotz ansonsten breiter Zustimmung der Grundtext „Leben in gelingenden Beziehungen“ – zur großen Enttäuschung vieler Synodalen.

Könnte sich so etwas wiederholen? Angenommen, es nehmen 60 Konferenzmitglieder an einer „Beschluss“-Fassung teil: Wie viele von ihnen müssen zustimmen, damit der „Beschluss“ die Zweidrittelmehrheit dieser Mitglieder erhält? Wer nach kurzer Überlegung „40“ antwortet, hat möglicherweise im Mathe-Unterricht der siebten Klasse aufgepasst. Von höherer Synodal-Mathematik hat er nichts verstanden. Die richtige Antwort lautet nämlich: „Kommt drauf an!“ 

Dienstag, 17. Januar 2023

Tear Down This Law!

Bischof Bode will mit Ausgetretenen sprechen. Über ein Interview mit Offenbarungscharakter.

Von Prof. Norbert Lüdecke

Am 12. Januar veröffentlichte „Katholisch.de“ – „das Nachrichten- und Erklärportal der katholischen Kirche in Deutschland“ – ein Interview mit Franz-Josef Bode, dem Bischof von Osnabrück und stellvertretenden Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz. Lange beliebt, sieht er sich derzeit unter kirchenrechtlicher Anzeige und vor Rücktrittsforderungen. Über einem Foto, dass ihn gemütlich lächelnd nur in dunklem Pullover statt in Bischofs- oder auch nur in Klerikerkleidung zeigt, wird getitelt: „Bode: Die Türen der Kirchen müssen für Ausgetretene offen bleiben“. Ein Blick auf den Nachrichten- und Erklärwert dieses Interviews lohnt sich.

So viele Kirchenaustritte und der Körperschaftsstatus ist schuld?

Bode zeigt Verständnis für die Vielen, die aus Protest ihren Kirchenaustritt erklären. Und er denkt nach, wie sie dennoch beteiligt werden können. Zu wenig werde beachtet, dass „inzwischen“ viele Ausgetretene aus der Mitte der Kirche kommen und trotz Austritts ihre Glaubens- und Kirchenbeziehung behalten wollen. Wer das zu wenig beachtet hat und auf welchen Zeitraum das „inzwischen“ zielt, bleibt offen. Auf die Frage, ob er es denn richtig finde, wenn eine Kirchengemeinde auf Plakaten Ausgetretene zu den Sakramenten einlädt, obwohl das doch rechtlich nicht möglich sei, weicht er aus: Man müsse verschiedene Wege gehen. Ob eine solche widerrechtliche Einladung dazugehört oder nicht, bleibt ebenfalls offen. Zudem – so Bode weiter – gebe es in Deutschland eine Sondersituation. Hier sei Kirche ja Körperschaft des öffentlichen Rechts. Das mache die Rückkehr nach einem Austritt anders als in anderen Ländern schwierig. – Wie bitte? Der Körperschaftsstatus ist schuld an der Situation ausgetretener Katholiken?

Montag, 2. Januar 2023

Dass sich Sehnsucht in Heimat verwandelt

Foto: Peter Otten
Wir sind nicht in der komfortablen Situation der Sterndeuter in der Geschichte, dass da ein Stern ist, immer zu sehen, der uns die Richtung gibt. Unsere Suche ist anstrengender als für die in der Geschichte. Verwirrender. Zermürbender. Enttäuschender. Den Trost von Weihnachten könnte sein: Dass das rätselhafte Sehnen und Suchen dennoch ein Ende findet. Dass sich die Sehnsucht in Heimat verwandelt. Dass Hoffnung ist, selbst da, wo sie schwerfällt. Ein Text anlässlich der Beerdigung von B.

Von Peter Otten

Mt 2, 1-2; 9-11.

1 Als Jesus zur Zeit des Königs Herodes in Betlehem in Judäa geboren worden war, siehe, da kamen Sterndeuter aus dem Osten nach Jerusalem 2 und fragten: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen. (…) Und siehe, der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, zog vor ihnen her bis zu dem Ort, wo das Kind war; dort blieb er stehen. 10 Als sie den Stern sahen, wurden sie von sehr großer Freude erfüllt. 11 Sie gingen in das Haus und sahen das Kind und Maria, seine Mutter; da fielen sie nieder und huldigten ihm. Dann holten sie ihre Schätze hervor und brachten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe als Gaben dar

Ich habe heute noch mal einen Teil der Weihnachtsgeschichte mitgebracht. Nach unserem Gespräch, was bei mir noch lange nachgeklungen hat, kam sie mir in den Sinn, als ich an der Veedelskrippe stand, die vor der Agneskirche aufgebaut ist. Sehr wahrscheinlich ist nichts an der Weihnachtsgeschichte historisch. Und dennoch ist sie für Christinnen und Christen so wichtig geworden, dass sie jedes Jahr millionenfach erzählt und gesungen wird. Warum? Und warum habe ich sie ausgerechnet heute mitgebracht? Weil die Menschen, die sie damals aufgeschrieben haben, etwas von ihrer Erfahrung festhalten wollten, die sie mit Gott gemacht haben. Weil sie davon überzeugt waren, diese Erfahrung ist wichtig. Und sie ist womöglich auch wichtig für die Menschen, die heute Mittag hier zum Friedhof gekommen sind, um sich von B. zu verabschieden und die Urne mit ihrer Asche zu ihrem Grab zu begleiten.

Sonntag, 6. November 2022

Die Tür ist auf, das Land ist weit

Wenn die Erschöpfung groß ist, können Menschen gemeinsam den Traum vom offenen Himmel träumen. Eine Trostrede zum Tod meiner Tante.

Von Peter Otten

Wenn ich nach Bildern von Resi in meinem Kopf suche, dann sind es vor allem solche: Kaffeetrinken mit unseren Eltern. Wie sie mit der Keksdose ankommt und den ersten Spekulatius anbietet und gespannt abwartet, wie wir ihn finden. Runde Geburtstage der Oma bei uns zu Hause. Es gibt Fotos mit den Schwägerinnen, wie sie nebeneinander an der Kaffeetafel sitzen, ins Gespräch vertieft. Es sind Bilder vom Rasten, von Gesprächen, vom Ausruhen. Denn auch Tante Resi war ja ein Teil der Generation unserer Eltern, deren Leben vor allem aus Arbeit und Mühe bestanden hat. Jetzt wo ich selbst älter werde denke ich darüber nach. Meine Eltern habe ich meistens im Modus des Arbeitens erlebt. Es wird euch mit eurer Mutter nicht anders gegangen sein. Vielleicht war das der Kriegsgeneration geschuldet. In der Rückschau habe ich manchmal den Gedanken, unsere Elterngeneration war vor allem deswegen im Modus des Arbeitens, Bauens, Werkelns, Mähens, Säens, Erntens, Hackens und Unkrautzupfens, weil sie als Kinder des Krieges erfahren haben, wie schnell sich alles drehen kann: Wie Krieg und Gewalt Fahrt aufnehmen können.